Vorträge
Reden und Vorträge im Kontext meines Anliegens der personalen Anthropologie werden zur Vertiefung und Diskussion veröffentlicht.
Bei den Reden handelt es sich um Beiträge anlässlich der Examina im Berufskolleg der Stiftung Eben-Ezer.
Bildung bewegt (die Person zur Kreativität)
Impulsvortrag beim Jahresempfang der Stiftung Eben-Ezer (13.04.2018) - anlässlich 25 Jahre BKEE
Bildung -
ein Wort, das in seiner Bedeutungsgeschichte Überzeugungen trans-portiert, die den Hintergrund zu zwei Unterthesen ausleuchten, die meine Hauptthese „Bildung bewegt (die Person zur Kreativität)“ stützen.
Welche Bildungsüberzeugungen sind das?
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Im Mittelalter versteht der Theologe und Philosoph Meister Eckhard (1260-1328) den Menschen als ein Subjekt, dem alle bildnerischen Bemühungen zu gelten haben. Für ihn ist Bildung ein Ebenbild-Werden des Göttlichen im Menschen, ein Entfachen des jedem Menschen innewohnenden göttlichen Funkens.
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Im Zeitalter der Aufklärung wird Bildung mit den Prinzipien Vernunft, Emanzipation und Mündigkeit verknüpft und im
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Neuhumanismus wird Bildung im Verständnis von Wilhelm von Humboldt zum Letztziel und Letztzweck jedweder Erziehung und damit zum Menschenrecht und zur Menschenpflicht proklamiert.
Bildung –
ist nicht nur im Wort selbst verpackt, um Überzeugungen von Bildung zu tradieren, sondern zugleich eine Herausforderung, das Wort von und für die einzelne Person zu füllen.
In den Horizont von Bildung gehört unbedingt auch das Selbstverständnis von Bildung, wie es sich in einzelnen Personen entfaltet, weil sie persönlich von und durch Bildung bewegt wurden bzw. werden.
Bildung nimmt aktiv Einfluss auf die Person, weil sie diese aktiviert, wenn Stillstand, Langeweile und Orientierungslosigkeit vorherrschen.
Warum?
Weil Bildung bewegt und Bewegung in seinem Bedeutungsspektrum von rühren, regen und sich fortbewegen zu beschreiben ist.
Bildung nimmt auch in passiver Weise Einfluss auf die Person.
Warum?
Weil Bildung selbst durch ein Angerührt-, Aufgerüttelt- und Aufgewühlt-Sein die Person und ihre Persönlichkeit bewegt.
Andreas Schlüter und Peter Strohschneider1 veröffentlichten 2009 im Berlin Verlag „26 Thesen zur Bildung als Herausforderung im 21. Jahrhundert“.
In ihrer Publikation wird den Rezipienten bei aufmerksamer Lektüre deutlich, dass Bildung angefragt ist, dass Bildung proklamiert wird, dass Bildung als Provokation empfunden werden kann und dass Bildung durch Kompetenz ersetzt werden soll.
Als Lese-Resümee habe ich für mich im Kontext der These „Bildung bewegt die Person zur Kreativität“ folgendes markiert:
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Bildung ist immer auch Orientierungswissen in einer komplexen Welt!
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Bildung ist die Grundlage, auf der jede(r) seine Zukunft aufbaut!
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Bildung ist unverzichtbar, damit der interkulturelle Dialog gelingt, der ohne selbstkritisches Denken, Wissen und einem Handeln, das sich hinterfragt, nicht möglich ist!
Mein Rezeptionsfazit möchte ich durch ein Zitat von Hans Blumenberg: unterstreichen: „Bildung ist kein Arsenal, Bildung ist ein Horizont.“
In dem Blumenberg-Zitat ist für mein Nachdenken über Bildung, die die Person zur Kreativität bewegt, alles eingerahmt, was ich jetzt ausführe.
Ich hoffe, dass ein „Bild“ entsteht, das jeden, der es in sich aufnimmt, dazu veranlasst, nach einer Bildung, die ihn bewegt, zu suchen und nur eine solche für sich zu qualifizieren.
Wer das versucht und tut wird spüren, dass Bildung solange wirkt, bis keine Bewegung, durch sie angestoßen, mehr möglich ist. Wenn das zu denken ist, dann ist die Aussage, dass eine lebenslange Bildung für unsere Gesellschaft in den Blick zu nehmen ist, neu interpretiert.
Die Bedeutungsgeschichte von Bildung belegt meine Hauptthese, denn ohne Bewegungserfahrung von Bildung kommt es nicht zur Selbstwahrnehmung, zur Selbsterkenntnis, zur Selbständigkeit und zu einem autonomen Handeln der Person, die sich ihres kritischen Verstandes bedient und so denk- und handlungsfähig ist. Dieses wiederum ist in der Entfaltung der Persönlichkeit nicht nur individuell verbleibend und damit Zweck an sich für den einzelnen Menschen, sondern eingebunden in den gesellschaftlichen Charakter persönlicher Individuation und Sozialisation.
Bildung, die sich in Bewegung setzen kann und bewusst durch Bewegung eingesetzt wird, breitet sich aus.
Sie erhält Qualität,
„wenn sie von vielen geteilt und vielen zuteil wird, wenn sie in möglichst vielen Menschen sich ausprägt und dann, durch gegenseitigen Austausch, durch Lernen, Lehren und andere Formen sozialer Kommunikation, sich zu vermehren mag.“
Bildung schafft Kultur bzw. einen „Wissensvorrat einer Gesellschaft“, wie Jürgen Habermas Kultur definiert.
Zusammengefasst wird eine Bildung die bewegt, den Einzelnen wie seine Mitglieder, in den je unterschiedlichen Strukturen der Gesell-schaft, nicht in einem „Sich-selbst-Genügen“ belassen, sondern sie führt zu einem „reflexiven Selbst- und Weltbezug.“
In diesem ist
„sowohl Selbstreflexion und Innenschau, Kontemplation und geistige Durchdringung des Selbst als auch ein reflektiertes Handeln
in die jeweilige Lebenswelt hinein“
zu entdecken.
Damit komme ich zur ersten, meine Hauptthese „Bildung bewegt die Person zur Kreativität“, erläuternden Unterthese:
I. Damit Bildung den Einzelnen wie die Mitglieder seines gesellschaftlichen Umfeldes bewegen kann,
muss Bildungsbewegung zugelassen werden!
Bildungsbewegung ist für die Person des Menschen essenziell und schon in den ersten Monaten seines Lebens sichtbar.
Wo und wie?
Beim Säugling, der seine Füße, seine Hände berührt.
Später beim Kleinkind vor dem Spiegel – erste Kontakte der Person mit sich selbst, erste Tiefen-Erfahrung des Subjektes mit sich selbst als Objekt: Berührung, Bewegung, Eindruck, ohne zugleich einen Aus-druck, ein Wort, Worte, eine Sprache für das zu haben, was bewegte.
Welterfahrung in der Kindheit, z.B. in der Kindertageseinrichtung, wo viel Bewegung stattfindet - körperliche, seelische und geistige.
Durch und aus Bewegung wird Gestalt. Malen, bauen, sprechen. Erste Weisen der Selbsterfahrung werden artikuliert in einem „Ich will!“ oder „Ich will nicht!“. Gestalt oder Ausdruck von Bildung wird körperlich vorbereitet, wenn wir uns bewegen.
Renate Zimmer, Erziehungs- und Sportwissenschaftlerin an der Universität Osnabrück sagt hierzu in einem Interview:
„Bewegung ist gewissermaßen die Grundlage allen Lernens. Kognitive Fähigkeiten entwickeln sich bereits bei Säuglingen durch Körper- und Sinneserfahrungen. Sie eignen sich in der Bewegung die Welt an.
So machen sie Erfahrungen, die im Gehirn zur Verbindung von Nervenzellen führen. Und dieser Prozess findet auch später, lebenslang statt. Je enger Lernen mit körperlicher Aktivität verknüpft wird und je mehr Sinne dabei angesprochen werden, desto besser können Informationen aufgenommen und verarbeitet werden und desto nachhaltiger wird gelernt.“2
Bewegung ist in einer Gesellschaft, die im Allgemeinen bequem geworden ist und sich durch technische Objekte jeder Art bedienen lässt, immer wieder ins Bewusstsein für Lebensqualität zu bringen. „Jede einzelne Körperzelle ist auf die ausreichende Zufuhr von Sauerstoff angewiesen - insbesondere auch die Gehirnzellen. Die Bewegung einzelner Muskelgruppen stellt einen optimalen Reiz dar, die Leistungsfähigkeit der Organe und Organsysteme zu entwickeln und zu erhalten. Hier ist besonders das Herz-Kreislauf-System zu nennen, dessen Aktivierung die Sauerstoffaufnahme des Körpers deutlich erhöht und für eine Aktivierung des Stoffwechsels sorgt.“3
Bei Bewegung wird Energie freigesetzt. Wir reiben wir uns hier und dort aneinander und dadurch auch uns selbst: „Ich will das, was ich gerade getan habe, nicht tun!“ geht uns durch alle Glieder in unser personales Bewusstsein. Zugleich eröffnet der Ärger über uns selbst neue Wege, wenn er für das sich ärgernde Subjekt selbst bewusst geworden ist.
Jakob Burckhardt sagt in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“:
„Nur in der Bewegung, so schmerzlich sie sei, ist Leben."
Wenn Bildung von eigenen, in früher Zeit wahrgenommenen Beweg-ungen, in denen alle gemachten Erfahrungen, die ihrerseits be-wegende Erlebnisse zu Bildern verarbeitet, in Träumen und Gefühlen erlebt - mit Begeisterung und Widerstand, mit Freude und Traurigkeit - gespeichert sind und zu unserem Personenfundament wurden, dann müssen wir, die wir Eltern, Erzieher, Lehrer, Seelsorger, Kranken-, Alten- und Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Sozialarbeiter, Ärzte, Richter und Politiker sind, das berücksichtigen!
Daraus folgt, dass Bildung Freiheit und Würde benötigt, um sich in Bewegung zu setzen, so dass wir ins Staunen geraten.
Wo diese Freiheit nicht gegeben ist, wird sich Bildung, die bewegt, nicht entfalten können. Sie erscheint dann lediglich als Mittel an der Oberfläche, in Kompetenzen gebündelt (über 2000 Kompetenzen hat man bisher benannt!), aber nicht frei als eine Bildung, die die Persönlichkeit der Person des Menschen zur Freiheit führt, zu der der Mensch nach Johann Gottfried Herder berufen ist. Nach seiner Überzeugung ist der Mensch der „erste Freigelassene der Schöpfung“.
Wie sehr wir uns nach einer Freiheit sehnen, die uns frei sein lässt, zeigt u.a. die Resonanz auf den aus dem Nachlass von Hannah Ahrendt veröffentlichen Essay mit dem Titel: „Die Freiheit, frei zu sein!“4 In kurzer Zeit wurden 50.000 Exemplare verkauft.
Was geschieht, wenn Bildung bewegt und hierfür Freiräume hat, lässt sich vielfach belegen.
Damit Bildung bewegen kann, muss Bildung selbstbestimmt in selbstbewusster Weise frei sein!
Bildung ist philosophisch nicht zu trennen vom Phänomen und der Erfahrung des Staunens. Alles was uns selbstbestimmt sein lässt, ist darauf angewiesen, dass wir es für uns begreifen, d.h. metaphorisch gesprochen ins Auge, ins Ohr, in den Mund und in die Hand bekommen haben.
Selbstbestimmung ist nicht zu trennen von Selbsterfahrung! Deshalb war Maria Montessori (1870-1952) so sehr engagiert, Bildung durch sinnliches Erleben mit hierdurch in Bewegung gebrachten kognitiven Impulsen für das Lernen zu verknüpfen.
Ihr Leitspruch war:
"Hilf mir, es selbst zu tun. Zeig mir, wie es geht. Tu es nicht für mich, ich kann und will es allein tun. Hab Geduld, meine Wege zu begreifen.
Sie sind vielleicht enger, vielleicht brauche ich mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Mute mir auch Fehler zu, denn aus ihnen kann ich lernen."
Wir müssen erregt, ja im guten Sinne aufgeregt, aufgeweckt und ange-stoßen werden, um Selbsterfahrungen zu machen, die unserer Person Impulse geben, damit wir das wollen, was wir in dieser Weise bewegt denken und fühlen, um es zu unserem Sein werden zu lassen!
Alles Staunen, alles eigene Fühlen und Wollen läuft ins Leere, wenn ihm keine Kompetenzen zur Verfügung gestellt werden, um eine sprachliche oder andere Gestalt annehmen zu können.
Wenn wir Sprache als ein System von bewegten Impulsen, Ausdrücken und Zeichen verstehen, dann entsteht ein Bild von bewegter Bildung, das zu jenem wird, das das eigene Leben abbildet.
Kompetenzen zu erlangen, dafür sind unsere Bildungsinstitutionen hoffentlich gut ausgestattet. Von den KTE’s über die Grundschulen, die weiterführenden Schulformen, Berufskollegs, Fachhochschulen bis zu den Universitäten sind hierzu Mittel und Potenzen im Angebot. Kompetenz-Lehrpläne sprießen wie Pilze aus der Erde und deren Umsetzung und Verständnis wird durch entsprechende Zeugnisse bzw. Examina bescheinigt.
Wir alle verfügen über Zeugnisse in der einen wie anderen Form, mit dem einen wie anderen Prädikat. Bescheinigen Zeugnisse eine Bildung die uns bewegt, die uns in unserer Person zu einer Persönlichkeit werden lässt, die kreativ ist, die Freude am Leben hat und die weiß, warum sie was, wie und wo will und tut?
Ja,
auf jeden Fall immer dann, wenn wir auf dem Weg zum Ziel des Kompetenz-Besitzes bereits selbstbestimmt und selbstbewusst, mittels gestärkter Kompetenzen unser „Bild“ entwerfen konnten, indem wir unser Leben als Abbild vorfinden und aus ihm Sinn und Ziel für unsere Zukunft gewinnen.
Nein,
auf keinen Fall, wenn wir uns nur eine Kompetenzqualität an¬geeignet haben, die fremdbestimmt durch Lehrer und unbewegt vermittelte curriculare Inhalte war.
Michael Hüther, einer der Autoren aus dem vorhin zitierten Buch der „26 Thesen zur Bildung …“ fordert eine Bildung, die den Mut zur Provokation nicht verleugnet:
„Wir müssen trotz aller Verwertungsinteressen, die seitens Wirtschaft und Gesellschaft an die Wissenschaften adressiert werden,
den Freiraum für zielloses Zweifeln, für urwüchsige Neugier und interdisziplinäres Querdenken – kurz: ein Denken ohne Geländer
(H. Ahrendt) groß halten.“ (vgl. ebd., S. 41.)
Hüther geht es nicht um Provokation als Selbstzweck, sondern darum Freiraum und Freiheit für eine Bildung, die bewegt, zu eröffnen!
Dem schließe ich mich für eine Bildung im Berufskolleg des Sozialwesens an!
Wenn ich die SuS-Interviews aus dem vorhin gesehenen Film unseres Schülers Jasper Höper auf mich wirken lasse, dann gewinne ich den Eindruck, dass wir auf einem Weg sind, der in Richtung einer Bildung verläuft, die die SuS bewegt und sie kreativ sein lässt.
25 Jahre BKEE,
das sind in der Summe bewegte Jahre, die mich lehren, dass Bildung bewegt und Berufsbildung auf jeden Fall bildet und bewegt.
Bildung in dem von mir gezeichneten Bild bewegt die SuS und LuL zu
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sich selbst, um der eigenen Person eine selbstbewusste, würdevolle und in Verantwortung geäußerte Sprachfähigkeit zu geben und
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zu einem Lebensentwurf, der sich in seiner beruflichen Tätigkeit darüber im Klaren ist, was man und für wen man etwas will.
Man wird nur unter großen Mühen und dann auch nur mit großer Frustrationstoleranz seinen Beruf ausüben, wenn man nicht genau weiß, für wen, warum und wie man ihn ausübt.
Aber selbst wenn man Letzteres spürt und dies als Impuls für sich aufnimmt, ist man bereits angeregt, in den Prozess von Bildung einzu-treten, der einen zu einem veränderten, hoffentlich selbst bestimmteren und selbstbewussteren Berufsleben führt. Berufsbiografien unserer SuS haben mir das vielfach bestätigt.
Zusammenfassend möchte ich mit Danksagungen
und Wünschen schließen:
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Ich danke meinem Schöpfer,
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dass er mich und uns so geschaffen hat, dass wir zu Bewegung und Veränderung fähig sind (vgl. die Bildungsauffassung von Meister Eckhard, die ich eingangs zitierte).
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Ich danke Gott,
dass er selbst Anlässe schenkt, die mich und uns auf ihn und damit zugleich auf uns selbst aufmerksam machen. -
Ich danke unseren SuS,
die ich bisher unterrichten durfte, und noch darf, für ihre Meldungen, Ein- und Widersprüche und ihre in Freiheit genommenen Gedanken, die mich bildeten. -
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen,
die auf ihre Weise selbstbestimmt und selbstbewusst täglich Bildung, die bewegt und zur Kreativität befähigt, in ihren Unterrichtstunden realisieren und so für eine Schülerbildung Vorbild sind, von der SuS sich anstecken lassen. -
Ich wünsche Kindern Eltern,
die ihre Kinder als Person ernstnehmen und ihnen Freiräume für eine Bildung geben, die sie bewegt. -
Ich wünsche Schülerinnen und Schülern Lehrerinnen und Lehrer,
die sie in Bewegung bringen, so dass sie sich ihr eigenes Bild ihrer Persönlichkeit gestalten, das ihnen Lebenssinn und Lebensfreude eröffnet. -
Ich wünsche uns allen,
dass wir von Gottes Angesicht, das in Jesus Christus erscheint, bewegt werden zu einer Herzensbildung, die dem eigenen Leben Freiheit gibt, damit wir bewegt werden, untereinander würdevoll und Gott wohlgefällig zu leben.
Ein solches Leben verhindert Stillstand, Stumpfsinn, Verachtung und Fundamentalismus, weil es das Bild des Kreuzes als Siegeszeichen zu einem bewegten Leben angenommen hat.
Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit!
Lemgo, den 11.04.2018 / Bg
1 Schlüter, Andreas / Strohschneider, Peter (Hrsg.): Bildung? Bildung! 26 Thesen zur Bildung als Herausforderung im 21. Jahrhundert. Berlin Verlag, 2009.
2 In: pluspunkt 1/2018: Bewegung ist die Grundlage allen Lernens, S. 10f. Ricarda Gerber im Interview mit Renate Zimmer.
3 https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bewegung.html
4 Ahrendt, Hannah: Die Freiheit, frei zu sein. dtv Verlag, München 2017.
ABITUR 2018
ABI-Rede Schulleiter (Krb) 29.06.2018
Liebe Absolventinnen,
liebe Absolventen,
liebe Kolleginnen / Kollegen,
lieber Herr Dr. Haase,
liebe Gäste!
Der heutige Tag bedeutet eine Zensur, die zugleich die Bilanz der erbrachten Leistungen in Zeugnisform vorlegt, die sich in arabischen Zahlen ausdrückt. Ich lese das Gesamtergebnis von allen 32 SuS, die zur Prüfung angetreten sind. Unter diesen sind jene erfasst, die im Rahmen der Abiturprüfung nur die Erste Teilprüfung zur Erzieherin / zum Erzieher gemacht haben. Damit bildet sich im Examen die Struktur des doppelqualifizierenden Bildungsganges (Abitur einerseits und Erzieherausbildung andererseits) ab.
Das Abitur hat insgesamt einen Durchschnitt von 2,7 im Ergebnis ergeben. Das beste Abitur wurde mit 1,4 abgelegt.
Alle haben Sie sich der persönlichen Herausforderung gestellt, Inhalte verschiedener Sachgebiete der allgemeinen Bildung und solche der fachspezifischen Kompetenz für den Erzieherberuf zu erwerben. Das bilden zum Beispiel die beiden Leistungskurse Deutsch und Erziehungswissenschaften, ergänzt durch die Grundkurse, ab.
Mit dem Abitur bzw. der Fachhochschulreife im Lebensgepäck, machen Sie sich jetzt auf den weiteren Weg ihres Lebens. Was Sie erwartet, können Sie jetzt noch nicht sehen, was Sie aber von heute Vormittag neben Ihrem Zeugnis noch mitnehmen können, habe ich Ihnen auf die Vorderseite unseres Programms zu unsere Examensfeier geschrieben. Sie können Namensgeber werden, Namensempfänger sind Sie ja bereits.
Sie haben Ihren Namen von Ihren Eltern bekommen. Sie wurden nicht gefragt, ob er Ihnen gefällt. Evtl. sagte man Ihnen, was er bedeutet und warum er für Sie ausgewählt wurde.
Manchmal kann die eigene Namensrecherche erfreuen, im anderen Fall enttäuschen. Es kommt darauf an, in welchem Verhältnis man zu Namen und zu Worten im Allgemeinen steht.
Aus dem Deutschunterricht wissen Sie, dass in der Semantik zwischen der Denotation und der Konnotation unterschieden wird. Bei diesem Thema wird jedem sogleich bewusst, dass die tatsächliche, also die denotative Bedeutung, nicht immer bekannt ist. Dem gegenüber aber die individuell mitschwingende, subjektive Bedeutung, bei jedem von uns vorhanden ist.
Arno Geiger, ein österreichischer Schriftsteller, 1968 in Bregenz geboren, begeistert mich, weil er den Wortbedeutungen auf den Grund geht und ehrgeizig nach dem zutreffenden Wort für Dinge und Menschen, in seiner Kunst, dem Schreiben von Literatur, sucht.
So fragt er in seinem Roman: „Schöne Freunde“ von 2002, indem er den Satz beginnt mit „Einmal“ sogleich durch Einklammerung (was ist einmal?) oder an anderer Stelle wiederholt, und das nicht nur einmal: (was ist einmal?). Damit verweist er uns auf Sprachgewohnheiten die sich eingeschliffen haben und deren Bedeutung wir nicht mehr begriffen haben. Buchstabieren wir das jetzt, nur einmal, hier und heute, durch:
„Reich mir bitte einmal das Salz!“, gleichzeitig wiederholt sich diese Aussage Samstagmorgens bei Frühstück, oftmals im Jahr, bei mir Zuhause.
„Einmal ist kein Mal!“, diese Aussage kennen wir auch. Durchdenken wir sie, offenbart sich ihre Tücke. Wir spüren sogleich, dass es hilfreich ist, zu gesprochenen Worten in Beziehung zu treten.
Doch gehen wir weiter in die Tiefe menschlicher Chance und Kreativität als Namensgeber.
Alle Neologismen, also Wortneuschöpfungen, belegen auf ihre Weise, dass wir Menschen Sprachkünstler sind und dabei, jeder auf seine persönliche Weise, zur Verstehbarkeit der Welt und unserer eigenen Person beitragen können.
Ich gebe einige Beispiele in der Form der …
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Komposition: Neue Begriffe werden aus bestehenden Wörtern zusammengesetzt (Bsp.:Computermaus, Genmais, Literaturpapst, etc.).
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Tilgung und Zusammenziehung: Wörter werden aus dem ersten Teil eines Wortes und dem zweiten eines anderen gebildet. Dabei kommt es zur Tilgung, also dem Auslassen einzelner Wortteile (Bsp.: Bionik, Modem, Teuro, etc.)
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Abkürzungen: Können in der Sprache gebildet werden, was sehr häufig aus sprachökonomischen Gründen geschieht. Solche Abkürzungen, wenn sie sich in der Sprache etablieren, können als eigenständige Wörter und Neologismen gelten (Bsp.: SMS, Azubi, etc.).
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Derivation: Durch Affixe werden neue Wortformen gebildet. Ein Affix ist ein gebundenes Morphem, das nur eine grammatische Funktion hat. Als Beispiel kann das Affix Cyber- gelten, das durch zahlreiche Verkettungen unterschiedliche Neologismen schuf: Cyberpunk, Cyberkriminalität, Cyberkrieg.
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Sprachwitz: Eigentlich eine Form der Verballhornung eines Wortes. Kann jedoch in den Wortschatz der Sprache gelangen, als berühmtes Beispiel gilt nichtsdestotrotz, das einst als Scherzwort für die Verbindung aus nichtsdestoweniger und trotzdem von Studenten gebraucht wurde.
Die Poetik ist auf ihre Weise engagiert, Dinge und Menschen zu benennen. In unseren Deutsch LK’s haben wir Ihnen das vermittelt und mit Ihnen erlebt. Von Schiller zu Brecht und von Fontane zu Heinrich. Jeder Autor benannte Dinge und Menschen und offenbarte uns dadurch seine Beziehung zu den von ihm bezeichneten Gegenständen, Situationen, Personen und Kontexten.
Aber was hat das mit Ihnen zu tun, warum das Zitat auf unserem Programm? Was hat mich bewegt, Ihnen das nahe zu bringen?
Es war die Aussage, dass wir durch das Benennen in Beziehung zu dem Benannten treten!
Was heißt das konkret?
Einmal, dass wir nicht einfach so darauf los reden können, denn auf das Benennen kann das In-Beziehung-Treten zu dem Benannten kommen! Hierin verbirgt sich eine Chance für intensives, lebendiges Leben.
Zu allen Gegenständen, die Sie nicht nur einfach benennen, weil Sie diese aus Ihrer Muttersprache übernommen haben, besitzen Sie bereits eine Beziehung.
Schauen wir uns das wiederum genau an:
Wer Buch, Schuh, Auto, Fahrrad, Haus, Wohnung, Zimmer, Bett usw. sagt, wird sogleich wissen, ob er es nur so sagt oder aber in Beziehung und mit Zuneigung sagt. Ich gestehe Zuneigung zu Buch, Auto, Haus, Wohnung, Bett, Garten, Schule, Schüler, Lehrer, Jesus Christus und schließlich zu Gott.
Nomen est Omen! Ja!
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Wortsammler werden, die bewusst in ihren gesammelten Worten Beziehung und Zuneigung spüren.
Ich verrate Ihnen, dass ich Ihre Namen mit Beziehung und Zuneigung gesprochen habe und, wenn ich wieder den Klang Ihres Namens höre, diese erneut in mir auflebt.
Aber das andere ist leider ebenso zutreffend: „Dinge, die keinen Namen bekommen, sind ungeliebt.“
Was können das für Dinge oder Personen sein?
Ich lasse die Frage offen, um nicht zu ausführlich in die Sprach- bzw. Existenzphilosophie einzudringen.
Nur so viel: Dinge und Personen, die bereits benannt sind, aber von uns nicht benannt werden, offenbaren unsere Beziehungslosigkeit zu ihnen oder unsere Abneigung ihnen gegenüber.
Ich sagte zu Beginn, dass wir alle Benannte sind. Unsere Namen verweisen auf unsere Eltern. Wir wiederum benennen Dinge, Situationen und Personen und wissen, ob wir zu ihnen in Beziehung und Zuneigung oder bei Nichtbenennen in Ablehnung stehen. Beides durchzieht unser Leben.
Wer kam eigentlich auf die Idee, uns allen den Namen Mensch zu geben? Haben wir das selbst erfunden? Im Schöpfungsbericht, dem priesterlichen Berichtsteil, heißt es: „Nun wollen wir Menschen machen, ein Abbild von uns, das uns ähnlich ist!“ Genesis 1, 26.
Wenn wir den Kontext des bisher Gesagten ausleuchten, was bedeutet es dann für uns, dass wir den Namen Mensch mit der Absicht von Gott bekommen haben, mit uns in Beziehung zu treten und uns zugeneigt zu sein?
Heißt das nicht: Sei dir bewusst, dass du ein von Gott mit Zuneigung bezeichneter Mensch bist?
Deshalb bedeutet der Gruß „Grüß Gott!“ auch: Du bist Mensch wie ich und wenn ich dir mit dem Zuspruch „Grüß Gott!“ begegne, dann sehe ich in dir den Menschen, der mich an Gott erinnert, der wie ich ein von ihm gewollter, geliebter Mensch ist.
Noch präziser heißt es im Propheten Jesaja:
„Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1)
Für Sie möchte ich den Kontext des Jesaja-Zitates heute verändern und sagen:
Fürchten Sie sich nicht, denn Sie sind von Gott Mensch genannt worden, der zu ihnen in Beziehung tritt, durch den Ihnen gegebenen Namen.
Seine Zuneigung wird inhaltlich gefüllt mit den Worten erlöst und du bist mein.
Namensgeber und Wortsammler sind Sie bereits – achten Sie auf Ihre Worte, zu wem Sie sie sprechen und zu wem nicht! – werden Sie es noch bewusster und in beiden Tätigkeiten, mit Neugier auf das durch Worte entstehende Leben! In diesem Sinne:
Eine gute Sommerzeit der Erholung, einen guten Start in das, was für Sie nach dem Abitur folgt und darüber hinaus Gottes Segen auf all Ihren Wegen.
ABITUR 2016
ABI-Rede Schulleiter (Krb) 01.07.2016
Liebe Absolventinnen,
liebe Absolventen,
liebe Kolleginnen / Kollegen,
lieber Herr Dr. Haase,
liebe Gäste!
Der heutige Tag bedeutet eine Zensur, die zugleich die Bilanz der erbrachten Leistungen in Zeugnisform vorlegt, die sich in arabischen Zahlen ausdrückt.
Ich lese das Gesamtergebnis von allen 23 SuS, die zur Abitur-Prüfung angetreten sind.
Unter diesen sind jene erfasst, die im Rahmen der Abiturprüfung nur die Erste Teilprüfung zur Erzieherin / zum Erzieher gemacht haben.
Damit bildet sich im Examen die Struktur des doppelqualifizierenden Bildungsganges (Abitur einerseits und Erzieherausbildung andererseits) ab.
Das Abitur hat insgesamt einen Durchschnitt von 2,8 im Ergebnis ergeben. Das beste Abitur wurde mit 1,5 abgelegt.
Alle haben Sie sich der persönlichen Herausforderung gestellt, Inhalte verschiedener Sachgebiete der allgemeinen Bildung und solche der fachspezifischen Kompetenz für den Erzieherberuf zu erwerben. Das bilden zum Beispiel die beiden Leistungskurse Deutsch und Erziehungswissenschaften, ergänzt durch die Grundkurse, ab.
Wenn Sie auf die drei Jahre Ihres AHR-E-Bildungsganges zurückblicken, mögen Ihnen neben manch gelungenen Ergebnissen und Erfolgen auch der eine oder andere Fehlschlag, evtl. sogar mehrere, wieder in die Erinnerung treten.
Dass Fehlschläge, falsche Schlussfolgerungen und Irrläufer nicht vergeblich, sondern für Entwicklung von Kultur und Zivilisation wichtig sind, ist ein Aspekt, der zu wenig bedacht wird.
Lassen Sie uns dies einmal betrachten!
Alberto Manguel schreibt in seinem, jetzt in Deutsch erschienen Buch: „Eine Geschichte der Neugierde“1:
„Eine Entwicklung (…) besteht aus lauter Fehlschlägen, aus Versuchen, die sich als fehlerhaft erweisen, und damit neue Anläufe nötig machen, die, wenn der Himmel uns wohlgesinnt ist, zu weiteren Fehlschlägen führen. Die Geschichte der Kunst und Literatur, Philosophie und Wissenschaft ist eine Geschichte der genialen Fehlschläge. Beckett bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: ‚Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern‘“.2
Was heißt das für Ausbildung und für Ihre persönliche Bildungsbiografie?
Natürlich werden wir im BKEE weiterhin nach belegbaren Fakten unseren Unterricht gestalten und die Leistungsnachweise mit hoffentlich fehlerfreien Erwartungshorizonten zur Grundlage der Bewertung der SuS-Leistungen ausfertigen. Auf diesem Weg gibt es für die SuS schon die erste Chance, aus erfahrenen „Fehlschlägen“ andere Strategien für ihr Lernen zu entwickeln.
Ich benutze das Wort „Fehlschlag“ dem o. g. Zitat entsprechend, womit angedeutet ist, dass etwas anders kommt als man sich vorgenommen oder gedacht hat. Demnach gibt es vielfältige und bei jedem unter uns vorkommende „Fehlschläge“!
Es war für mich eine besondere Erfahrung erleben zu dürfen, wie jemand sich mutig, interessiert und neugierig auf das Ergebnis, den Abweichungsprüfungen stellte. Als wir später hierüber ein Gespräch führten wurde deutlich, wie aus „Fehlschlägen“ Gewinne für weitere Entwicklungen abzuleiten sind.
Wer also ein anderes als das für sich gewünschte Ergebnis in den Prüfungen oder gar im Durchschnittsergebnis seines Abiturs erfahren hat, bekommt gerade hierdurch wichtige Impulse für sein weiteres Leben.
Nicht die Frage warum habe ich dies so und nicht anders geschafft, ist die hilfreiche Frage, sondern die, die sich darauf konzentriert zu er-forschen, was gerade dies für die Weiterentwicklung der Persönlichkeit bedeuten kann.
Zum Beispiel:
Was sagt mir mein angeblich von außen als Fehlschlag definiertes Ergebnis meines abgeschlossenen Ersten Teils meiner Ausbildung? Was sagt es mir zu mir selbst, ganz persönlich und was wird mir dadurch bewusst, was hieraus für das Berufspraktikum evtl. anders zu ent-scheiden ist?
Jetzt tun sich vielfältige Perspektiven auf, und zwar:
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für das Arbeitsverhalten
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für das Lernverhalten
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für das Interesse an Inhalten, die sich auf den zu erreichenden Beruf der Erzieherin und des Erziehers beziehen und
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für ganz persönliche Interessen, etwa in Kunst oder Literatur, in Geschichte oder Politik oder im Bereich der weiter zu fassenden Persönlichkeitsbildung.
Schule ist hierzu ein erstes Erfahrungsfeld und als solches begrenzt und zu Recht kritisch zu sehen.
Manguel schreibt:
„Unsere heutigen Bildungssysteme tun im Großen und Ganzen so, als wäre das unvermeidliche Scheitern keine notwendige Etappe auf dem Weg zur Erkenntnis. Weil sie nur noch an messbarer Effizienz und finanziellem Profit interessiert sind, ermutigen unsere Bildungsinstitutionen die ihnen anvertrauten Jugendlichen nicht mehr zum Denken um des Denkens willen oder zum zweckfreien Gebrauch der Einbildungskraft. Anstatt eine Plattform für Diskussionen zu bieten, haben sich Schulen und Universitäten in reine Trainingscamps für qualifizierte Facharbeiter verwandelt.“3
Manguels Kritik am Bildungssystem ist nicht in Gänze zuzustimmen, weil messbare Effizienz und ein entsprechendes Training, um diese zu erreichen, sinnvoll und nötig ist.
Wenn dies aber alleiniges Ziel ist, verkommt Bildung und wird das, was den Menschen kennzeichnet, nämlich begreifen zu wollen und Zusammenhänge zu wissen, unbeachtet gelassen.
Thomas von Aquin hat unmissverständlich erkannt und uns hinterlassen:
„So, wie das Feuer Wärme abstrahlen
und
schwere Gegenstände hinabfallen müssen,
ist der Mensch dazu bestimmt,
zu begreifen
und deshalb auch geschaffen,
um zu wissen.“
Thomas von Aquin (1225-1274)
Wir sind dazu bestimmt, begreifen zu wollen. Wie aber begreifen wir, wenn wir nicht neugierig sind, wenn uns keine Fehlhandlungen dazu nötigen um- und neu zu denken?
Was für die Bildung als solche gilt, gilt auch für die Entwicklung unserer Persönlichkeit und für die Persönlichkeit jener, die uns anvertraut sind. Nicht das perfekte Bild einer, wie denn auch immer angeblich perfekten Persönlichkeit, sondern die Suche nach dem Eigenen, gekleidet in die Frage: „Wer bin ich?“, ergänzt durch die Frage: „Wer bist Du?“, sind Wegweiser zu dem, was sich durch Lebensereignisse und Lebenskrisen herausbildet, unsere einzigartige Person.
Wer fragt und neugierig ist, ist das immer in Bezug auf etwas, dass wahrgenommen wird.
Wer begreift, greift zu und weiß, dass er nicht greifen kann, wenn er nicht weiß, wonach er greifen soll.
Damit ist neben der Wahrnehmung die Bereitschaft zum Risiko, im Vertrauen auf das bisher schon Erfahrene, gefordert. Doch es gibt Ge-fährdungen und Ungewissheiten, Furcht und Angst, die nur überwunden werden, wenn Hoffnung und Vertrauen uns zur Seite stehen.
Auf Ihrem weiteren Lebensweg wird es u.a. entscheidend darauf ankommen, ob Sie Selbstvertrauen und Hoffnung auf das, was Sie be-greifen und wissen wollen, an ihrer Seite wissen.
Wir feiern den Examensabschluss Ihres Bildungsganges AHR-E in der Kirche der Kirchengemeinde Eben-Ezer.
Das Kreuz, ein Zeichen des Sieges über alle lebenszerstörenden Kräfte und Mächte, will uns daran erinnern, dass der Gottessohn, Jesus Christus starb, damit wir leben! Leben in einer Zeit der Zuspitzung von Extremen und Katastrophen.
Ob wir auf unser Klima, die Politik, die Migrationsbewegungen oder die Gefährdungen durch dumpf gewordene Menschen schauen, es geht zurzeit katastrophistisch unter uns Menschen zu.
Wenn wir das begreifen und darum wissen, suchen wir, hoffentlich neugierig darauf, was wir dem entgegenstellen können, nach Auswegen, in der Hoffnung auf Heil, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Wenn wir uns in der Kirche bzw. in den Kirchen umschauen, können wir Spuren von jenen entdecken - Thomas von Aquin war solch jemand, der uns Spuren hinterließ - die wie wir begreifen und wissen wollten, was zu tun ist, um glücklich und den Menschen zugewandt zu leben.
Sie zeigen uns viel und vor allem immer wieder den Menschen- und Gottessohn Jesus Christus.
Wer ihm neugierig gegenübertritt, kann begreifen, was er mit ihm erfährt, welche Fragen im Blick auf sein Kreuz aufbrechen. Bei ihm sind schnelle Antworten nicht zu haben, da er jedem von uns auf seine Weise, unserer Weise entsprechend, begegnet. Eins ist dabei zu erleben, er nimmt uns ernst! Das habe ich in über 50 Jahren der Jesusnachfolge erlebt.
Ich wünsche Ihnen am heutigen Tag, dem Tag eines neuen Lebensabschnittes für Sie, Mut zu Fehlschlägen, weil sie Ihnen mehr erfahrbar machen und lehren, als wir es je konnten!
Ich wünsche Ihnen Neugier, um zu einem Wissen zu kommen, das Ihnen niemand nehmen kann, weil Sie sich selbst interessiert, motiviert und engagiert fragen, wie, was und warum ist das so, was ich gerade sehe, erfahre und denke!
Ich wünsche Ihnen selbst vielfache Neugier auf sich selbst – lassen Sie sich von sich selbst überraschen, so bleiben Sie lebendig, wach und für andere interessant.
Ich wünsche Ihnen Freude an der Begegnung mit Kindern und Jugendlichen, die Sie in Ihrem Berufspraktikum kennenlernen! Dabei hoffe ich auf ein fragendes Interesse und ein sicheres Handeln jenen gegenüber, weil Sie begreifen, dass Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit nur zu Wissenden werden, wenn Sie ihren Gegenübern, seien es die Kinder/Jugendlichen oder Kolleginnen und Kollegen, offen, neugierig und fragend begegnen.
Ich freue mich, dass Sie alle das erste Etappenziel Ihrer Ausbildung erreicht haben.
Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die mit Ihnen in den zurückliegenden drei Jahren auf dem Weg zum Begreifen und Wissen waren.
Gehen Sie mutig, neugierig und fragend in das Berufspraktikum und in die damit beginnende zweite Etappe Ihres Berufsziels, Erziehrinnen und Erzieher zu werden!
1 Manguel, Alberto (2016): Eine Geschichte der Neugierde. Fischer Verlag: Frankfurt am Main.
2 Ebd., S. 12.s
3 Ebd., S. 13
ABITUR 2015
ABI-Rede Schulleiter (Krb) 19.06.2015
Liebe Abiturientinnen,
liebe Abiturienten,
liebe Kolleginnen / Kollegen,
lieber Herr Dr. Haase,
liebe Gäste!
Der heutige Tag bedeutet eine Zensur, die zugleich die Bilanz der erbrachten Leistungen in Zeugnisform vorlegt, die sich in arabischen Zahlen ausdrückt. Ich lese das Gesamtergebnis aller 34 Abiturientinnen und Abiturienten in der Zahl 2,6 und das des besten Abschlusses ihres Jahrganges in der Zahl 1,3. Im Vergleich zum ersten Abiturjahrgang 2014 sind wir im Gesamtergebnis 0,1 schlechter und im besten Ergebnis 0,3 besser. Was ist damit ausgesagt?
Wieder einmal haben sich Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer im System der gymnasialen Bildung eines Berufskollegs den vorgegebenen Lehrplänen und den zu erreichenden Standards gestellt und sind zu dem erwähnten Ergebnis gekommen.
Das ist die eine Interpretation, die beim Blick auf das Ergebnis zur Freude verleitet und das Feierbedürfnis ansteigen lässt.
Soweit, so gut, soviel Arbeit und Mühe, soviel Entspannung und Ausgelassenheit nach der Schufterei, mögen wir denken!
Es gibt eine andere Interpretation und eine andere Bewertung der drei Jahre in unserem Berufskolleg, die sich nicht an Ergebniszahlen orientiert, sondern danach fragt, was im Leben mehr zählt als Zahlen.
Es ist die Orientierung an dem, was wir P E R S O N nennen, an dem, was jeder unter uns, ob Frau, ob Mann, ob jung oder alt, in seinem eigenen Leben in sich spürt, weil es in uns lebt, mit der Sehnsucht ausgestattet Gestalt zu finden, sich selbst zu finden, um in der Lage zu sein, zu sich selbst zu stehen.
Es ist die herausfordernde, einzigartige und nicht wiederholbare Chance, sein eigenes Leben Gestalt werden zu lassen, es selbst zu bestimmen, ihm die Richtung zu geben und das Ziel zu benennen, auf das es der in uns lebenden Person ankommt.
Sie ist mehr als unsere Individualität, die sich aus dem logischen Umstand ergibt, dass unser aller größter, gemeinsamer Nenner der ist, das wir anders sind, so dass sich hieraus unsere Individualität erschließt.
Von ihr unabhängig sind wir P E R S O N, die schon bei der Verschmelzung von Ei und Samenzelle, also am Ursprung unserer Existenz, vorhanden ist. Nicht nachweisbar, geheimnisvoll und dennoch nicht zu leugnen, wenn wir uns keinen Schaden zufügen wollen.
Unsere Bestimmung ist in unserer Person verborgen und zeigt sich mehr und mehr, wird sich selbst mehr und mehr bewusst, wenn wir sie entdecken und ihr eine Sprache geben. Auf dem Programm zu unserer heutigen Abiturfeier ist folgendes Zitat abgedruckt:
„Der Mensch ist jenes Wesen, das seine Bestimmung nicht von außen empfängt,
sondern sich selber gibt und selber geben muss,
um auf diese Weise zum authentischen Autor seiner eigenen Lebens-und Sinngeschichte zu werden.“
W. Böhm (2004)1
Was Sie und mich, Euch Abiturientinnen und Abiturienten, untereinander mit Würde ausstattet, adelt und wertvoll sein lässt, ist die phänomenologisch und existentialistisch zu beschreibende Tatsache, PERSON zu sein. Da wir sie vor allem anderen in uns selbst, in der sogenannten Innenperspektive sind, empfangen wir von ihr aus auch unsere Bestimmung. Diese wiederum ist uns vom Schöpfer unserer Existenz zugesprochen, so dass unser PERSONSEIN zugleich bedeutet, dass wir Geistwesen sind. „ … blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (Genesis 2,7b)
Als Geistwesen können wir unsere Person befragen, so dass sich eine gedankliche Identität für uns als Person bilden kann. Konkret wird die gedankliche Identität durch die Frage: „Was genau bedeutet das?“, und „Woher weiß ich das, was dies oder das für mich und allgemein bedeutet?“ Solches Fragen wird lebendig, wenn für uns ganz wichtige Dinge zur Rede stehen. Etwa Freiheit, Gerechtigkeit, Würde, Gut und Böse.
Persönlichkeitsbildung, die einen breiten Horizont hat, wie er im Abitur bestimmt wurde, sollte Abiturientinnen/Abiturienten nach bestandenem Abitur in der Lage sein lassen, Antworten zu finden, in sich selbst und im Austausch mit der eigenen Person.
Der Philosoph Peter Bieri schreibt: „Man sollte sich hüten zu meinen, dass jeder grammatisch wohlgeformte Satz auch Gedanken ausdrückt; es gibt unzählige Sätze, die an der Oberfläche in Ordnung sind, aber keinen echten gedanklichen Gehalt haben und eigentlich nur Geschwätz darstellen.“
Die Qualität Ihres erreichten Abiturs bemisst sich in der zweiten Interpretationsform daran, wertvolle Gedanken mit existentiellem Gehalt von solchen unterscheiden zu können, die zwar gut klingen, aber nur Geschwätz sind.
Neben gedanklicher Identität ist es wichtig, eine Sprache für unser Fühlen und Wünschen zu finden, denn wenn die eigene Sprache differenzierter wird, wird das Auswirkungen auf eigenes Erleben haben. Damit dies gelernt werden kann, sind sowohl der Deutsch-, als auch der EW-Leistungskurs und alle weiteren Grundkursinhalte wichtig, die Sprache, selbst im Kleid von Definitionen und Theorien anbieten, um in unserem Personsein für uns selbst und für andere verständlich werden zu lassen.
Dies gilt umso mehr als mit dem erreichten Abitur zugleich die erste Teilprüfung zum beruflichen Abschluss als Erzieherin bzw. Erzieher erreicht wurde.
Wem Menschen anvertraut werden, der muss es gelernt haben und in etwa auch wissen, wer er ist, was er will und was er nicht will.
Haben Sie hierzu unsere Bildungsinhalte befähigt? Wenn ja, sind sie lebenswert und persönlich bereichernd, ganz gleich, welche mathe-matische Zahl dies im Abiturzeugnis abbildet.
Gymnasiale Bildung sollte unbedingt zur Sprachfähigkeit mit der eigenen Person und über die eigene Person hinaus mit anderen Personen qualifizieren. Je nach dem Maß, das der einzelne sich selbst setzt, gemäß der Herausforderung sich zur Sprache zu bringen.
Wenn dann in der beruflichen Perspektive die Herausforderung auf unsere Absolventen zukommt, Kindern und Jugendlichen zu helfen, sich ebenfalls zur Sprache bringen zu können, dann wird jeder einzelne von ihnen merken, was sie/er gelernt hat bzw. wo noch das eigene Nachhilfebedürfnis liegt.
Ich zitiere ein zweites Mal Peter Bieri:
„Wir leben die meiste Zeit unter dem Blick der Anderen, und dieser Blick kann uns wegführen von uns selbst und hinein in ein fremdes Leben, das nicht mehr durch unsere Bedürfnisse definiert wird, sondern durch die Erwartungen der Anderen.“
Der Blick des anderen ist uns unangenehm, weil wir nicht sehen, was er sieht, wenn er uns anschaut. Zwar gibt es nonverbale Signale, die von uns gedeutet werden, doch ob sie stimmen, wissen wir erst, wenn wir nicht danach fragen. Hinzu kommt das legitime Bedürfnis nach Anerkennung, gepaart mit dem Wunsch, geschätzt und bestätigt zu werden.
Wie können wir uns schützen, so dass der Andere keine solche Macht über uns hat?
Bieri sagt:
„Wir können uns nicht in einer künstlichen inneren Festung einmauern, nur um nicht verletzt oder in eine falsche Richtung verführt zu werden. Sich selbstbestimmt zu entwickeln, kann nur heißen, dem Blick des Anderen zu begegnen und ihm standzuhalten.“
Wir alle kennen Situationen, in denen wir dem eben genannten Blick des Anderen ausweichen wollten, aber es nicht konnten.
Im Unterricht: Die SuS den Lehrkräften nicht und diese den SuS nicht. In der Kindertageseinrichtung: Die Kinder den Erzieherinnen/Erziehern nicht und diese den Kindern nicht, sofern sie die Kinder ernstnehmen.
Ist das ein Dilemma?
Nur bedingt, denn der fremde Blick kann auch Anlass sein, das Selbst-bild zu überprüfen und der eigenen Selbsterkenntnis eine andere Richtung zu geben.
Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?
Was sagt ihnen der Spiegel?
Er spricht nicht und spricht doch auf seine Weise!
Er verrät Sie nicht und offenbart doch alles, wenn Sie sich durch ihn genau spiegeln lassen.
Ich denke, unausgesprochen sagt er: „Du bist ein von Gott, Deinem Schöpfer gewollter und geliebter Mensch!“ Er liebt Dich, also bist Du! In Süddeutschland ist der Gruß, wenn man einander begegnet: „Grüß Gott!“, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass der uns begegnende Andere ein wie wir von Gott geliebter Menschen ist.
Wenn wir einander in diesem Bewusstsein anblicken, tut das gut, stärkt das unsere Person. Sie weiß dann: Es ist gut, wie ich bin, ich täusche mich nicht selbst, ich lerne mich zu lieben, weil ich weiß, geliebt zu werden!
Wenn aber der Blick des Anderen befremdet, evtl. sogar das Fürchten lehrt, dann stehen wir in der Gefahr uns zu wehren bzw. ebenfalls, wo es uns möglich ist, dominierend zu blicken und uns ermächtigend gegenüber dem anderen zu verhalten.
Christen wissen, dass man sie daran erkennen bzw. identifizieren soll, dass sie sich untereinander lieben! Mit dem liebenden Blick ist alles gesagt, der Andere wird durch ihn ermutigt, so zu sein, wie er ist und sich zu ändern, wenn er das will.
Achten Sie bitte auf sich selbst und darauf, wie Sie dem Anderen mit ihrem Blick begegnen. Das gilt ganz besonders für alle, die mit Menschen arbeiten. Das gilt in hohem Maße für alle, die Kindern gegenüber verantwortlich sein wollen und müssen, weil sie in ihnen die Person erkennen, die sich entwickeln und finden will und muss. Gerade diese Person braucht den ermutigenden, den unterstützenden, und den sichernden Blick.
Übertragen auf die Aufgabe der Erziehung, Förderung und Bildung in den KTE’s sind Abiturienten nach der zweiten Interpretation ihres Abiturs davon überzeugt und können das begründen, dass sie die Person des Kindes nicht nur erleben lassen wollen, dass sie einzigartig und einmalig ist, sondern das Kind darin bewusst unterstützen, sich in seiner Einzigartigkeit und Einmaligkeit zu entwickeln. Damit steht nicht das Wissen über Erziehung im Vordergrund, sondern die Fähigkeit zu einem umfassenden und ganzheitlichen Verstehen des Kindes und der eigenen Person zu kommen.
Wenn wir dazu durch unser Abitur in seiner Doppelqualifikation in Verbindung mit der Erzieherausbildung befähigt haben, waren und sind wir gut.
Ich hoffe, dass wir unsere Arbeit der Bildung und Erziehung in dieser Weise Ihnen gegenüber orientiert und realisiert haben.
Wie gut, können Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, in Zukunft erleben, wenn Sie in den konkreten Alltag der Erziehungsarbeit eintreten.
So wünsche ich Ihnen allen, dass Sie die Kraft, den Verstand und den Mut aufbringen, sich nicht von außen allein bestimmen zu lassen und bewusst darauf achten, dies auch nicht den Kindern gegenüber zu tun. Dann sind Sie auf dem Weg, ihre Bestimmung sich selbst zu geben und befähigt, den Kindern hierin ein Vorbild zu sein, so dass auch sie dies für sich, schon in frühen Lebensjahren, entdecken und so selbst zu der Persönlichkeit werden, die sie potenziell in sich selbst tragen.
Hierzu wünsche ich Ihnen Erfolg und Bewahrung,
Unterstützung, den Segen Gottes und
alles, alles Gute!
Lemgo, den 17.06.2015 (KRB)
1 Geschichte der Pädagogik von Platon bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag, München.
ABITUR 2014
ABI-Rede Schulleiter (Krb) 27.06.2014
Liebe Abiturientinnen,
liebe Abiturienten,
liebe Kolleginnen / Kollegen,
lieber Herr Dr. Haase,
liebe Gäste!
Nach Anspannung in Schüler- und Lehrerschaft ist das gemeinsame Ziel erreicht: Wir haben das erste Abitur am BKEE am 17. Juni 2014 mit einem Durchschnittsergebnis von 2,5 erreicht. Damit sind wir genau auf dem Landesdurchschnitt von NRW angekommen. Die besten Ergebnisse sind 1,6 / 1,7/ 1,8/ 1,9, dann folgen 2,0 usw.
26 haben ihr Abitur geschafft und zwei im Rahmen der Abiturprüfung ihre erste Teilprüfung zum Erzieher absolviert. Bei den Abiturabschlüssen ist diese integriert, so dass alle Abiturienten gleichzeitig ihre Theoretische Prüfung zur Erzieherin / zum Erzieher erreicht haben und damit die Berechtigung, ihr Berufspraktikum anzuschließen. Spätestens im dritten Jahr nach dem Abitur muss das Berufspraktikum angetreten werden!
Das erwähnte Ergebnis lässt sich sehen, wir dürfen gemeinsam froh darüber sein und Gott danken, denn auf dem Weg dahin gab es die eine oder andere Herausforderung, die gemeistert werden musste. Schließlich ist beim ersten Mal alles etwas angespannter und insgesamt aufgeregter. Jetzt wissen wir gut Bescheid, können weiter optimieren und uns so als Berufskolleg gut auf dem Bildungsmarkt in Konkurrenz setzen. Man wird mit uns rechnen müssen!
An dieser Stelle möchte ich Dr. Dr. Klaus Zittlau danken, der bei uns die Fächer Biologie und Mathematik am Beruflichen Gymnasium vertritt. Gleichzeitig ist er koordinativ für das Abitur zuständig, so dass die richtigen Notenpunkte und damit ein transparentes und in den einzelnen Leistungswerten differenziertes Abitur ausgegeben werden kann.
Ferner ist es mir wichtig den beiden Jahrgangsstufenleitungen, Andrea Maus und Kai Züchner zu danken. Sie haben in vorbildlicher Weise die Beratung bis zum Abitur in den beiden Klassen wahrgenommen und so ebenfalls Anteil an dem heute vorliegenden Ergebnis. Das „Dreier-Team“ hat sich bewährt und damit den organisatorisch-formalen Rahmen für die kommenden Abi-Prüfungen abgesteckt. Herzlichen Dank!
Wenn ich dies erwähne, so unter anderem deshalb, weil Mathematik, abgestimmtes Arbeiten im Team und gute Beratung der Schüler wichtig ist, um zu einer guten Punktlandung am Ende der Qualifikationsphase zu kommen.
Selbstverständlich ist, dessen ungeachtet, guter fachlicher Unterricht in allen Fächern des Beruflichen Gymnasiums und umsichtiges, nachhaltiges Lernen der Schüler Voraussetzung, um zur Studienreife zu kommen.
Im zurückliegenden Schuljahr war Viktor Reimer der Schulsprecher am BK. Er war Schüler der 13b und zeigte seine Bereitschaft, in einem kurzen Interview einige Fragen von mir zu beantworten.
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Was waren Deine besonderen Erlebnisse in den drei Jahren Ausbildung bis zum Abitur? Nenne uns zwei wesentliche!
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Welche der Unterrichtsfächer sind nach Deiner Erfahrung und Beobachtung bei Dir und den Mitschülerinnen/Mitschülern entscheidend für die persönliche Reife gewesen?
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Was schätzt Du an der Aufgabe des Schulsprechers und was hat Dich daran gestört?
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Bitte formuliere einen Imperativ, von dem Du meinst, dass er für die Jahre nach dem Abitur wichtig ist, weil er Orientierung und Hilfe ist?
Für den Bildungsgang Berufliches Gymnasium ist mir die geisteswissenschaftliche Profilbildung neben der beruflichen Qualifikation und Vorbereitung zur Erzieherin / zum Erzieher wichtig. Hier gut zu sein, hier eine Profilschärfe zu erreichen, die sich zugleich von den anderen Bildungsgängen zum Abitur in unserem Umfeld, in unserer Region unterscheidet, ist entscheidend, damit die Interessenten für unser Bildungsangebot genau wissen, was sie davon haben, zu uns gekommen zu sein. Deshalb sehen wir darauf, in unserem mit dem Gymnasium vergleichbaren Fächern wie Deutsch LK, Erziehungswissenschaften LK, Philosophie GK und Englisch GK auf einem sehr guten Niveau zu sein.
Wir stehen in Konkurrenz und wir wollen diese annehmen, denn dadurch wird die Qualität gymnasialer Bildung erhalten.
Was aber ist gymnasiale Bildung?
Was ist u. a. entscheidend, um intellektuell, d. h. einsichtsfähig ein Leben zu führen, das sich moralisch, kulturell und multireligiös in einer sich immer weiter ausdifferenzierenden, globalisierenden Welt zurechtfindet?
Meine Antwort hierauf ist eine vorläufige und dabei subjektiv, von jedem so Fragenden, immer wieder vertiefend zu erarbeitende.
Ich fand einen Hinweis zu meiner Frage in einem kleinen Text von Elazar Benyortz, auf die ich kurz eingehen möchte.
Im Zielgedanken lautet er: „Es sind die Fragen, die uns weitertragen!“
Wer fragt, Fragen stellt und aufmerksam ist, wenn Fragen formuliert und gestellt werden, ist auf dem Weg neugierig zu sein, um einsichtig zu werden!
Intelligenz hat damit zu tun, sich um Einsicht zu bemühen, die dann zur Handlungsentscheidung und –sicherheit führt.
Vor der Entscheidung sollte Wissen um die Sache vorhanden sein, um dann zu überprüfen, wie oder was zu tun bzw. zu lassen ist.
Wenn das Fragen demnach unverzichtbar ist, dann bedarf es auch einer Kultur, in der Fragen zunächst einen höheren Stellenwert haben als schnelle Antworten.
Wer Antworten nennt, gibt vor, es zu wissen. Das trifft zu, leider aber oftmals auch nur teilweise oder sogar nicht, weil das Leben und in Sonderheit der Mensch komplex sind. Komplexität zu erkennen, einen Ausschnitt davon, vermittelt die Bildung zum Abitur.
Jede Abiturientin, jeder Abiturient sollte erfahren und gelernt haben, dass das eigene Wissen, wo es profund ist, auf den Frageweg führt und von nun an auf diesem unterwegs ist, um mit anderen fragend zu erforschen, was das Ding, den Prozess, dass Sein an sich, im Innersten zusammenhält.
Die gefundenen und durch die Wissenschaften bestätigten Antworten geben dem Frageweg Sicherheit und Motivation, weitere Antworten zu suchen, die dann wiederum neue Fragen aufwerfen. Intellektuell ist das interessant und hält uns lebendig.
Weil wir Menschen ein Geistwesen sind, ist uns das kindliche Fragen Motor zur geistigen Aktivität und zugleich Freude, wenn aus Fragen neue Erkenntnisse und hilfreiche Antworten entstehen.
So wird kein Status quo gesichert und das Leben bleibt ein Abenteuer, auf der Suche und der lebenslang bleibenden Frage nach dem, was hinter allem Sein steht und dasselbe in Bewegung hält.
So tragen die Fragen uns weiter, nicht nur zu einem fortschreitenden Lebensalter, sondern letztlich zu Ursprung und Ende unseres Lebens, den und das wir Christen in Gott glaubend und hoffend sehen und erkennen.
Benyoetz formuliert: „Die Frage nach Gott – was ist das Fragen ohne Gott?“
Fragen halten uns in einer offenen Beziehung zu unserer Welt, zu uns selbst und sind damit zugleich die Suche nach Gott, weil ein fragendes Leben sich vor Fundamentalismus und Dogmatismus bewahrt.
Stillstand durch fundamentalistische Antworten ist Rückschritt, womit vermeintliche Gewissheit, die allzu schnell vorgefertigten Antworten folgt, Rückschritt von Bildung und damit Verhinderung von Intellektualität bewirkt.
Schauen wir bitte gemeinsam auf die Rückseite des ausgelegten Programms und lesen wir als Zusammenfassung und Weiterführung meiner kleinen Frage-Meditation die Gedanken von Benyoetz, die mir Anstoß zu meinen Ausführungen waren:
Es sind die Fragen,
die uns weiter tragen1
Eine gute Frage
bedient sich vieler Antworten
Eine gute Formulierung
ist eine ausweichende Antwort
Die Frage nach Gott –
was ist das Fragen ohne Gott?
Es sind die Fragen,
die uns weiter tragen
Die Antwort steht außer Frage,
darum mit einem Bein auch in den Sternen
Ich danke den Schülerinnen und Schülern für alles beharrliche Fragen und Nachfragen an mich und uns im Kollegium. Eure Fragen sind es, die uns als Lehrende weitertragen und uns aus vermeintlich stupidem Wissen wachrütteln und selbst immer wieder zu Fragenden in und an unsere Lerngegenstände machen.
Ich wünsche Euch Abiturienten alles erdenklich Gute!
Lasst Euch nicht abdrängen oder gar mit fertigen Antworten abwürgen, wenn ihr für Euch bewegende und wichtige Fragen gefunden habt!
Dies deshalb, weil nur echt Fragende erleben, dass die Antwort außer Frage steht, weshalb man durch die dann selbst gefundenen Antworten immer auch mit einem Bein in den Sternen oder im Himmel ist.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Lemgo, den 26. Juni 2014 (krb)
1 Benyoetz, Elazar (2012) Sandkronen. Eine Lesung. Wien. Braumüller GmbH, S. 70.